10 December 2025

NEM-Reform: Ein Gespräch mit Tim Nelson

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NEM-Reform: Ein Gespräch mit Tim Nelson

Australiens Energiesystem befindet sich im Wandel – und ebenso seine Märkte. Ende 2024 wurde eine Überprüfung des NEM und seiner Großhandelseinstellungen von einem vierköpfigen Gremium unter der Leitung von Tim Nelson eingeleitet. Die ersten Empfehlungen des mittlerweile allgemein bekannten „Nelson-Reviews“ wurden im August 2025 veröffentlicht und zur Konsultation gestellt, bevor die endgültigen Empfehlungen zum Jahresende erscheinen.

Update: Der Abschlussbericht wurde am 16. Dezember 2025 veröffentlicht und ist hier zu finden. Unsere Analyse der ersten Empfehlungen des Reviews lesen Sie hier.

Kürzlich war Tim Nelson bei Transmission zu Gast, um die Überprüfung zu besprechen, unter anderem zu folgenden Themen:

  • Den bisherigen Fortschritt und die Empfehlungen des Reviews;
  • Welche internationalen Märkte und Reformen das Gremium beeinflusst haben;
  • Warum Entscheidungen getroffen wurden, bestimmte Marktelemente beizubehalten oder zu ändern;
  • Wie der Electricity Services Entry Mechanism (ESEM) neue Kapazitäten für erneuerbare Energien und Batteriespeicher fördern wird.

Wichtigste Erkenntnisse

​1. Das Risikoprofil des NEM verändert sich grundlegend

Die Überprüfung geht davon aus, dass der reine Energiemarkt nicht „kaputt“ ist, aber die Risikokonturen haben sich verschoben. Sowohl Nachfrage als auch Angebot sind nun wetterabhängig, sodass die Preisbildung weniger von Kohle und stärker von erneuerbaren Energien beeinflusst wird.

Eine zentrale Botschaft lautet: Volatilität nicht unterdrücken, sondern besser steuern. Dies führt zu einigen der wichtigsten Empfehlungen der Überprüfung.

2. Mehr Sichtbarkeit für dezentrale Ressourcen steht bevor

Batterien hinter dem Zähler, virtuelle Kraftwerke (VPPs) und andere preissensitive Lasten werden zu groß, um im Netz „unsichtbar“ zu bleiben. Dies führt zu erheblichen Verzerrungen bei der operativen Nachfrageprognose und beim Dispatch.

Die Überprüfung signalisiert, dass Sichtbarkeit verpflichtend wird, bevor Steuerbarkeit gefordert wird, und rückt damit von der anfänglichen Spekulation ab, dass kleine Anlagen wie Generatoren bieten müssen.

3. Derivate werden mit neuen Produkten für erneuerbare Risiken modernisiert

Das Gremium stellt klar: Swaps und Caps wurden für Kohle entwickelt, nicht für ein System, das von Wind, Sonne und Batterien dominiert wird. Eine neue Reihe standardisierter Shaping- und Firming-Verträge wird gemeinsam mit der Branche entwickelt und alle paar Jahre aktualisiert.

Das ist wichtig, weil:

  • Es die Liquidität für das Risikomanagement erhöht;
  • Es Batterien zuverlässigere Instrumente zur Absicherung von Einnahmen bietet; und
  • Es das Basisrisiko zwischen Betrieb und Vertragsstruktur reduziert.

Dies ist eine der wichtigsten, aber wenig diskutierten Reformen mit direktem finanziellen Einfluss auf BESS-Anlagen.

4. Der ESEM (Electricity Services Entry Mechanism) adressiert gezielt die Laufzeitenlücke

Das größte Hindernis für neue Investitionen im NEM ist der Mangel an langfristigen Abnehmern. Einzelhändler erwarten sinkende Kosten und meiden daher lange PPAs, während Investoren langfristige Sicherheit für die Finanzierung benötigen.

Der ESEM:

  • Verlangt von jedem Projekt mindestens 3 Jahre In-Market-Verträge;
  • Ermöglicht dann die Teilnahme an einer langfristigen Absicherungsvergabe über eine Rückwärtsauktion;
  • Setzt Derivativekontrakte statt Mindesterlöse ein, um Risiken vorübergehend zu puffern; und
  • Erlaubt es Entwicklern, den Vertrag zurückzukaufen und später auf Merchant-/andere Strategien umzusteigen.

Dies ist eine flexiblere, weniger eingreifende Version von CIS/LTESA und umfasst Shaping- und Firming-Dienste.

5. Häufige ESEM-Auktionen und mehr Transparenz verbessern die Preisfindung

Tim betont, dass ESEM-Auktionen künftig häufig stattfinden und die Preise über die Runden hinweg veröffentlicht werden sollen, um den Wettbewerb zu maximieren.

​„Wir denken, diese Prozesse sollten ziemlich häufig stattfinden… wir wollen Wettbewerb über die Runden hinweg schaffen, nicht nur innerhalb der Prozesse.“

Transparenz bei der Preisbildung bieten CIS und LTESA heute nicht. Das würde bedeuten:

  • Investoren können Angebote auf Wettbewerbsfähigkeit prüfen;
  • Speicherbetreiber erhalten einen Ausblick auf den erwarteten Wert in den kommenden Jahren;
  • Entwickler können mit Zuversicht Multi-Asset-Pipelines aufbauen; und
  • Finanzierer erhalten marktgetestete Preise statt individueller PPAs.

Dies ist wohl eine der wichtigsten Entwicklungen für mehr Klarheit für Investoren im NEM.

6. Marktpreis-Einstellungen (MPC, CPT) könnten sich weiterentwickeln

Die Überprüfung schlägt eine zukünftige Differenzierung der Preisobergrenzen je nach Systemzustand vor. Statt einer einzigen Obergrenze könnte das System zu zustandsbasierten Preislimits übergehen – was den Arbitragewert von BESS bei volatilen Ereignissen verändern würde.

Ein vierjähriger Zyklus zur Überprüfung von Struktur und Form (nicht nur Höhe) von MPC/CPT ist vorgesehen.

Das führt zu:

  • Längeren Hochpreisphasen (besser für Langzeitspeicher und Spitzenlastkraftwerke);
  • Maßgeschneiderterer Knappheitspreisbildung; und
  • Besserer Anpassung an die Risikoverteilung erneuerbarer Energien.

7. Eine formelle Market-Making-Pflicht (MMO) kommt

Das Gremium ist klar: Die Liquidität im Derivatemarkt ist ein Problem, besonders in Südaustralien. Eine neue Market-Making-Pflicht wird die Konsultation voraussichtlich überstehen, auch wenn sie angepasst wird. Das sollte die Liquidität für an der ASX gehandelte Derivate verbessern.

Für Batteriebetreiber bedeutet mehr Liquidität bessere Transparenz und Zugang zu Hedging-Möglichkeiten beim Handel mit Produkten wie Caps.

8. Es wird einen Umsetzungsfahrplan im Abschlussbericht geben

Tim stellt klar, dass es sich nicht nur um eine konzeptionelle Überprüfung handelt. Das Gremium muss einen Schritt-für-Schritt-Plan für die Minister vorlegen:

„Wir sind verpflichtet, einen Umsetzungsfahrplan zu veröffentlichen… mit einem Zeitplan für… die Verabschiedung von Gesetzen, Regeländerungen, Durchführung des Vertrags-Co-Design-Prozesses…“

Der Abschlussbericht wird also nicht nur sagen, was zu tun ist, sondern auch ungefähr wann und in welcher Reihenfolge:

  • Gesetzgebung zur Einführung des ESEM und zugehöriger Rahmenwerke;
  • Regeländerungen für Themen wie Derivate, Market-Making-Pflichten, Sichtbarkeitsanforderungen und Preisbildungsprozesse;
  • Aufbau und Durchführung des Vertrags-Co-Designs in einem wiederkehrenden Zyklus; und
  • Tatsächliche Durchführung von ESEM-Auktionen mit den neuen Vertragsdesigns.

9. Tims Zeitplan: Der ESEM könnte Ende 2026 starten

Letztlich könnten die ersten Empfehlungen der Überprüfung bereits 2026 umgesetzt werden. Tim gibt einen recht klaren Ausblick:

„Sobald der Fahrplan von den Ministern geprüft wurde, sehen wir keinen Grund, warum das nicht bis Ende nächsten Jahres oder Anfang des darauffolgenden Jahres laufen könnte.“

​Tims Argument: Das ist Evolution, kein kompletter Neustart. Die Infrastruktur ist bereits vorhanden und kann umfunktioniert werden. Er verweist konkret auf bestehende CIS/LTESA-Teams bei ASL, die den ESEM-Prozess steuern können, und auf ähnliche Teams bei der AER, die sich auf die MMO-Aufgaben fokussieren können.

Er betont jedoch, dass dies kein fester Zeitplan ist; die Umsetzung hängt vom politischen Entscheid ab.

Fazit: Schnelle Umsetzung ist möglich, aber nur, wenn die Minister überzeugt sind, dass ESEM und die zugehörigen Reformen die Systemkosten wirklich senken und die Energiewende absichern.